Man könnte denken, dass Immobilien weltweit mehr oder weniger der gleichen grundlegenden Dynamik unterliegen.
Bei näherer Betrachtung der beiden größten Märkte der Welt (USA und Europa) ergibt sich jedoch ein differenzierteres Bild. Dabei zeichnet sich der europäische Markt durch strukturelle Nachfragetreiber und besonders hohe Angebotsbeschränkungen aus. In der neuesten Auflage von „Why invest in …?“ stellen wir Schlüsselmerkmale vor, durch die sich der europäische Markt abhebt.
Doch eine nähere Betrachtung der beiden weltgrößten Logistikimmobilienmärkte bringt tiefer liegende Unterschiede ans Licht. Im vorliegenden Beitrag geht es um die spezifischen Merkmale des europäischen Marktes im Vergleich zum US-amerikanischen, der als führender und etabliertester Markt der Welt gilt.
Konjunkturelles Wachstum kommt allen Immobilienbereichen zugute, so auch dem Logistiksegment. Wie sich jedoch aus Abbildung 1 ergibt, lagen die Zuwächse an belegten Objekten in den Jahren 2013 bis 2023 in neun europäischen Ländern deutlich vor dem realen BIP-Wachstum. Das Wirtschaftswachstum belief sich in diesem Zeitraum auf ca. 14 %, wohingegen sich der Bestand an belegten Flächen fast verdoppelte. In den USA weisen diese beiden Kennwerte eine engere Korrelation auf. Das überdurchschnittliche Wachstum an Logistikflächen im Vergleich zum europäischen BIP-Wachstum erklärt sich durch die Bedeutung der strukturellen Treiber, die für krisenfeste Nachfrage sorgen. Zu diesen strukturellen Treibern gehören auch der zunehmende Nearshoring-Bedarf und die Unterversorgung bestimmter Märkte.
Anmerkung: Die EU-Statistik basiert auf den nationalen Leerstandsquoten von 9 Ländern (Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Niederlande, Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Spanien und Italien).
Aus Abbildung 2 geht hervor, dass die europäischen Märkte generell über einen unzureichenden Bestand an Logistikflächen verfügen. Die strukturelle Nachfrage ist auf eine zunehmende Etablierung des Segments zurückzuführen. Die europäischen Märkte sind auch deswegen unterversorgt, da sich paneuropäische Netzwerke erst im Zuge des Schengen-Abkommens zu Beginn des Jahrtausends bildeten und ab da zur Institutionalisierung des Assetklasse führten. Der US-Markt ist reifer, zumal der ursprüngliche Impuls, nämlich der Ausbau des Interstate-Fernstraßennetzes, auf die 1950er Jahre zurückdatiert. In Europa variiert der Flächenbestand pro Kopf je nach Bedeutung der Lieferkette (europaweiter oder nationaler Schwerpunkt) und Marktreife. Das Angebot ist vor allem in MOE und südeuropäischen Ländern vergleichsweise knapp. Es ist damit zu rechnen, dass sich die allmähliche Etablierung des Segments fortsetzen wird, ohne allerdings mit dem US-Niveau gleichzuziehen, denn die Unterschiede in Bezug auf Geographie und Vermögen sind schlicht zu groß.
Die zunehmende Knappheit an Entwicklungsflächen betrifft ganz Europa, insbesondere aber Standorte nahe Verbrauchszentren. Selbst wenn einem Entwickler der Grundstückserwerb gelungen ist, sind die Antragsverfahren langwierig und komplex. Nach Angaben der Weltbank beträgt die Zeit bis zur Ausstellung einer Baugenehmigung in den zehn Ländern, in denen GARBE präsent ist, im Schnitt mehr als 170 Tage . Dagegen ist die durchschnittliche Bearbeitungszeit in den USA nicht mal halb so lang (81 Tage). Nicht nur aufgrund des Flächenmangels sondern auch durch die NIMBY-Debatten („not in my backyard“) sind die Auflagen in den westeuropäischen Märkten verschärft worden.
Kommen Neuentwicklungen zustande, handelt es sich in Europa oft um Auftragsentwicklungen („built-to-suit“, BTS), anders als in den USA. Im Jahre 2023 galten 84 % aller Fertigstellungen in den USA als spekulativ, wohingegen der spekulative Anteil am gesamten Bauvolumen in Europa sich je nach Logistikmarkt zwischen 64 % (Italien) und knapp 40 % (Benelux und Deutschland) belief. Der niedrigere Anteil erklärt sich durch mehrere Faktoren, darunter Prinzip (Risikominimierung), Markttransparenz, langwierige Entwicklungshorizonte und strenge Marktregulierungen. Generell verringert ein geringerer Anteil an spekulativen Flächen das Risiko, dass es auf dem betreffenden Markt rasch zu einem Überangebot kommen könnte.
Angebotsbeschränkungen und strukturelle Nachfragetreiber haben in den vergangenen zehn Jahren zu einer Angleichung europäischer Leerstandsquoten an das US-Niveau geführt. Im Jahr 2023 erhöhte sich der Leerstand auf dem gesamteuropäischen Markt um ca. 100 BP, ohne aber die 4 %-Marke zu überschreiten. Auch die USA meldeten einen Anstieg der Leerstandsquote um 210 BP auf 5,2 %. Verursacht wurde der höhere Marktleerstand durch zunehmende Entwicklungstätigkeit und die Eintrübung der Stimmung auf Nutzerseite. In Europa wird mit einem geringfügigen Leerstandsanstieg in der ersten Jahreshälfte 2024 gerechnet, der aufgrund der niedrigeren Entwicklungsvolumen und des BTS-Schwerpunkts aber maßvoller ausfallen dürfte als in den USA. Ab der zweiten Jahreshälfte 2024 wird in beiden Regionen aufgrund der nunmehr reduzierten Entwicklungs-Pipeline ein Rückgang der Leerstände erwartet.
Anmerkung: Die EU-Statistik basiert auf den nationalen Leerstandsquoten von 9 Ländern (Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Niederlande, Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Spanien und Italien).
Das Mietwachstum in Europa war zwar beachtlich in den letzten Jahren, aber es setzte in einer späteren Zyklusphase ein und fiel schwächer aus als die rasanten Zuwächse in den USA, die zwei Jahre lang in Folge im zweistelligen Bereich lagen. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen Europa und den USA besteht darin, dass inflationsbereinigte Mieten (reale Mietpreise) in vielen Märkten noch unter dem Niveau von 2006 liegen. Während der europäische Durchschnitt etwa -10 % beträgt, liegt er in den USA bei +45 %. Aus Investorensicht legt dies nahe, dass noch erhebliches Wachstumspotenzial bis zu einer Überteuerung der Märkte besteht. Aus Sicht der Nutzer wiederum bedeutet es, dass Immobilienkosten keinen erhöhten Anteil der Lieferkettenkosten ausmachen (Fixkosten inkl. Mieten: 3-6 % ).
Anfangsrenditen in Europa und den USA weisen einen mehr oder weniger vergleichbaren Trend auf, nämlich starke Kompression in den Jahren 2010 bis 2022, gefolgt von Expansion und Stabilisierung in den vergangenen zwei Jahren. Auf längere Sicht hat sich der Renditeabstand zwischen den beiden Regionen auf nahezu Null verringert, was den steigenden Institutionalisierungsgrad in Europa widerspiegelt.
Bei näherer Betrachtung diverser Marktparameter wird deutlich, dass die jeweiligen Strukturen der Logistikmärkte in den beiden Regionen Unterschiede aufweisen. Europa zeichnet sich durch ESG-Priorisierung und schärfere Regulierungen aus, während der US-Markt transparenter und etablierter ist, wobei zahlreiche KPI-Werte aber größerer Volatilität unterliegen.
Im Vergleich zu den USA war Europa von jeher weniger volatil, vor allem was Mieten, Kapitalwerte und Renditen betrifft . Es handelt sich um eine typische Eigenart des europäischen Marktes, insbesondere der kontinentaleuropäischen Märkte. Die relative Marktstabilität zählt für internationale Investoren zu den Anreizen, in den europäischen Markt für Logistikimmobilien zu investieren.
In den USA spielt ESG zwar ebenfalls eine bedeutende Rolle, doch allgemein gilt Europa hier als fortschrittlicher sowohl bei Investoren als auch bei Nutzern.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Logistikobjekte und -standorttypen der beiden Regionen einigermaßen vergleichbar sind. Ein Blick unter die Oberfläche verrät aber ein ganzes Spektrum an Unterschieden, aus denen sich sowohl Chancen als auch Herausforderungen ergeben. So bietet der europäische Markt ganz bestimmte, attraktive Investmentparameter, die langfristigem Wachstum zuträglich sind.
Aus Nachfragesicht umfassen diese Treiber unterversorgte Märkte, das Wachstum des Online-Handels auf Vor-Corona-Niveau und die zunehmende Umsetzung von Nearshoring-Ansätzen in Kontinentaleuropa. Auf der Angebotsseite wird die Gefahr eines Überangebots abgefedert durch immer höhere Hürden für Neubauentwicklungen und behördliche Auflagen. Diese Dynamik bei Angebot und Nachfrage sorgt für langfristiges Mietwachstum und anhaltendes Interesse auf Seiten der Kapitalgeber. Dagegen überzeugt der US-Markt mit einem höheren Reifegrad und im vergangenen Jahrzehnt mit starken Mietzuwächsen.
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