Der Onlinehandel hat durch die COVID-19-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 ein enormes Wachstum in Deutschland erfahren. Nachdem in den Vorjahren das jährliche Wachstum zwischen 9 bis 12 % schwankte, lag es in den beiden Pandemie-Jahren bei 23 bzw. 19 %. Zum Vergleich: Im Einzelhandel lag die Umsatzsteigerung insgesamt bei 6,2 bzw. 1,6 %. Mit einem Umsatz von 86,7 Mrd. EUR wurde 2021 ein Rekordergebnis im E-Commerce erzielt. Im vergangenen Jahr setzte dann eine leichte Konsolidierung ein – der Umsatz ging erstmals zum Vorjahr leicht zurück (-2,5 %).
Im Jahr 2022 lag der Anteil des E-Commerce am Gesamtumsatz des Einzelhandels in Deutschland bei knapp 20 %, womit es sich um einen der etabliertesten Märkte in Europa handelt. Unter den großen EU-Staaten ist dies der zweithöchste Wert nach UK (26,5 %). In Spanien und Italien liegt der Anteil bei rund 10 %. Dieser Schwellenwert wurde in Deutschland bereits 2014 überschritten. In Deutschland soll der Anteil bis 2028 noch einmal um etwa 10 %-Punkte ansteigen.
Abbildung: Entwicklung Onlineumsatz (netto) in Deutschland 2000–2022
Das starke Wachstum der Onlinehändler äußerte sich auch durch einen signifikanten Anstieg der Logistikflächennachfrage durch diese Nutzergruppe während der COVID-19-Pandemie. Im zweiten Halbjahr 2022 ließ die Nachfrage dann deutlich nach, konnte aber durch klassische Handelsunternehmen kompensiert werden. Lag der Anteil des Onlinehandels am Flächenumsatz in den Pandemiejahren 2020 und 2021 bei 19 bzw. 20 %, waren es im Jahr 2022 nur noch 13 %.
In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres kamen Handel und Onlinehandel zusammen auf nur noch 19 %. Der Flächenumsatz verringerte sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 70 %. Sind die aktuellen Umsatzzahlen also Anzeichen für eine Marktsättigung und wie wird sich der Onlinehandel insgesamt weiterentwickeln?
Die Konsolidierung des Onlinehandels setzt sich im laufenden Jahr fort. Der Umsatz in den ersten drei Quartalen liegt um 13,7 % unter dem Vorjahreswert. Dies ist vorwiegend auf die konjunkturelle Entwicklung in Verbindung mit der Inflation zurückzuführen. Die Privathaushalte halten sich bei Konsumausgaben zurück, da sie durch die Inflation mit einer deutlich höheren Ausgabenbelastung konfrontiert sind. Dass vor allem konjunkturelle und weniger branchenstrukturelle Effekte Auswirkungen auf die aktuelle Umsatzentwicklung haben, zeigt die weiterhin hohe Bestellfrequenz bei Onlinehändlern.
Für das letzte Quartal sehen Branchenexperten aktuell keine Wachstumsimpulse für den Konsum. Würde der Rückgang für das Gesamtjahr ähnlich ausfallen wie in den ersten drei Quartalen, wäre in etwa das Niveau von 2020 erreicht – ein Jahr mit enormem Wachstum.
Die Entwicklung des Onlinehandels ist also aktuell vor allem aufgrund der Zurückhaltung beim Konsum gedämpft. Ein gewisser Anteil des Rückgangs dürfte aber auch auf die Rückverlagerung des Konsums in den stationären Handel nach der COVID-19-Pandemie zurückzuführen sein. Dafür spricht, dass der Einzelhandelsumsatz insgesamt in den ersten Quartalen lediglich um 4,6 % zum Vorjahr zurückgegangen ist. Welche Entwicklungsimpulse gibt es aber innerhalb der Branche und welche Trends sind zu beobachten?
In der Textilbranche vollzieht sich gerade die nächste Revolution. Nachdem der deutsche Onlinehandel in diesem Segment in den vergangenen Jahren vor allem durch die zwei großen europäischen Player H&M und Zara dominiert wurde, steigern nun die zwei chinesischen Konzerne Shein und Temu ihre Marktanteile in einem enormen Tempo. Ihr Vorteil gegenüber den etablierten Akteuren ist, dass sie keine stationären Flächen betreiben und basierend auf dem Modell „Consumer-to-Manufacturer“ (C2M) mithilfe künstlicher Intelligenz deutlich schneller auf Trends und Kundenwünsche reagieren können.
Das Geschäftsmodell wird als „Realtime-Fashion“ oder „On-Demand-Fashion“ bezeichnet. Die Kunden können so weltweit ohne Zwischenhändler direkt bei den Herstellern, die vorwiegend in China sitzen, bestellen. Das Preisniveau ist nochmals niedriger als bei den etablierten „Fast-Fashion“-Ketten.
Die Zahl der Paketsendungen nach Deutschland belaufen sich für das laufende Jahr nach Schätzungen bereits auf rund 30 Mio. für Shein und etwa das Doppelte für Temu. Zugute kommt den beiden Konzernen dabei die zollfreie Einfuhr von Einzelsendungen (150 Euro). Mit dem rasanten Wachstum investieren die Unternehmen in ihre Logistikkonzepte in Europa. In Polen wurden bereits Distributionszentren bezogen. Mit einem Netz an Warenlagern in Europa will man die Möglichkeit schaffen, Bestände innerhalb der EU zu bewegen. In diesem Zuge sollen auch EU-Vorschriften besser berücksichtigt werden. Ein Risiko der Expansion stellt die Zufriedenheit der Kunden dar, die im Hinblick auf die Produktqualität an europäische Standards gewöhnt sind.
Als weiterer potenzieller Nachfrager könnte TikTok in den kommenden Jahren auftreten. Der chinesische Mutterkonzern Bytedance investiert aktuell stark in den Ausbau der integrierten E-Commerce-Lösung „TikTok Shop“. Damit haben Nutzer die Möglichkeit, Produkte, die sie in der App sehen, direkt zu bestellen. Der Verkauf von Waren und Dienstleistungen wird auch als „Social Commerce“ bezeichnet. In Teilen Asiens ist dieses Konzept bereits sehr erfolgreich. Global werden dem Marktsegment ein enormes Wachstum in den kommenden Jahren prognostiziert. In Europa ist das Thema noch sehr jung und wird bisher vor allem durch Shopify bedient. Mit Großbritannien als Pilotmarkt investiert Bytedance nun auch in Europa – andere Länder könnten folgen.
Ein starker Nachfrager der vergangenen Jahre im Bereich Onlinehandel war Amazon. Der US-Konzern hat sein Netz an Logistik-, Sortier- und Verteilzentren in Deutschland und Europa deutlich ausgebaut. GARBE Research hat im Rahmen einer Untersuchung etwa 225 aktive Amazon-Standorte in Europa identifiziert, darunter 115 in Deutschland. Danach folgen UK mit 57 Standorten sowie Italien, Frankreich, Polen und Spanien mit jeweils zehn bis zwölf Objekten. Allein im Jahr 2022 hat Amazon die Anzahl der Standorte in Deutschland um etwa ein Viertel erhöht.
Abbildung: Amazon-Standorte in Europa
Der rückläufige Umsatz im Onlinehandel macht sich nun auch bei Amazon bemerkbar. Flächen an 13 Standorten sollen ganz oder anteilig temporär untervermietet werden, um Überkapazitäten der aktuellen Marktphase zu vermeiden. Untervermietungen bieten den Vorteil, dass bei zukünftigen Mehrbedarfen Flächen zeitnah zur Verfügung stehen. Kurzfristig ist also keine starke Nachfrage an zusätzlichen Flächen durch Amazon für den klassischen Onlinehandel zu erwarten.
Potenzielle Nachfrage ergibt sich vielmehr durch den im September vorgestellten neuen Service „Supply Chain by Amazon“, der Logistikdienstleistungen für Dritte anbieten soll. Das Geschäftsmodell umfasst die Belieferung von Lagern anderer Handelsunternehmen, die Anmietung von Lagerflächen an Amazon-Standorten und die Versorgung weiterer Verkaufskanäle mit Waren. Mit diesem Schritt würde man die eigenen Immobilien effizienter nutzen und dem Ziel, „größter Transporteur der Welt“ zu werden, näher kommen. Der US-Konzern würde so in direkte Konkurrenz mit Anbietern wie UPS und FedEx treten. Bei einer erfolgreichen Umsetzung des Services ist perspektivisch von weiteren Flächenbedarfen über die bestehenden Standorte hinaus auszugehen.
Die Lieferkonzepte, die gerade während der Pandemie ein enormes Wachstum verzeichnet haben, konsolidieren sich aktuell oder ziehen sich ganz aus dem deutschen Markt zurück. Das Konsumverhalten hat sich nicht dauerhaft verändert. Zudem wurde der Zugang zu Risikokapital durch die Zinswende deutlich erschwert.
Generell ist der Anteil von Lebensmitteln am Onlinehandel mit nicht einmal 2 % in Deutschland aktuell noch sehr gering. Dementsprechend schwer ist es für neue Anbieter, wenn sie keine Kooperation mit den etablierten Marktakteuren eingehen. So hat der niederländische Lieferdienst Picnic etwa mit EDEKA einen starken Partner. Ende 2023 werden knapp 60 Verteilzentren in Betrieb sein.
Bis 2030 soll der Anteil des Online-Lebensmittelhandels auf 8 % ansteigen (ca. 22 Mrd. EUR). Um dieses Feld nicht anderen zu überlassen, investieren die großen Player auf dem deutschen Markt in eigene Angebote oder eben mit strategischen Partnern. Neben Picnic (EDEKA) gibt es Flink (REWE) und REWE Digital. ALDI Nord und Süd betreiben mittlerweile einen gemeinsamen Onlineshop für sperrige Aktionsartikel. ALDI Süd testet darüber hinaus aktuell einen Lieferdienst im Raum Mülheim an der Ruhr, Duisburg und Oberhausen.
Es ist davon auszugehen, dass der Online-Lebensmittelhandel aufgrund der stark gefestigten Strukturen im Markt auch perspektivisch vor allem von den vier großen Platzhirschen dominiert wird. Akteure wie Amazon haben sich bereits aus dem Segment zurückgezogen, da der Aufbau eines eigenständigen neuen Logistiknetzes viel zu hohe Investitionen in einem bereits hart umkämpften Markt erfordern würde. Die zukünftige Flächennachfrage wird vor allem durch die Digitalisierung und Neuaufstellung der logistischen Prozesse sowie den Aufbau von (kleinen) Verteilzentren generiert.
Die aktuellen geopolitischen und konjunkturellen Rahmenbedingungen erschweren verlässliche Prognosen für die zukünftige Flächennachfrage durch den Onlinehandel. Fest steht, dass der durch die Pandemie getriebene Boom vorbei ist und viele Unternehmen ihre Wachstumsstrategien überarbeitet haben.
Gleichzeitig tun sich neue Akteure und Geschäftsmodelle auf, die entweder ganz neu entstanden sind (Shein, Picnic) oder aus dem stationären Einzelhandel stammen (Zara, ALDI). Letztere Flächenbedarfe verschwimmen zwischen Onlinehandel und Handel im klassischen Sinne.
Der Flächenumsatz durch den Onlinehandel dürfte kurzfristig durch die aktuelle konjunkturelle Lage verhalten ausfallen. Die fortlaufende Veränderung des Konsumverhaltens sowie ein perspektivisch steigender Online-Anteil am Gesamtumsatz dürften dazu beitragen, dass der Onlinehandel auch in Zukunft eine wichtige Nachfragegruppe auf dem Logistikimmobilienmarkt sein wird.
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